Logo Stalburg Theater

Die FAZ über die Frankfurt-Premiere von "Der Herr Karl"

Lustig samma – Matthias Scheuring brilliert in der Stalburg als "Herr Karl"

Eva-Maria Magel, Montag, 24. November 2009

"Ich war auch amal a junger Mensch." Nur kann man sich das kaum vorstellen. Denn der Herr Karl, der immer schon der Herr Karl war - damals hat man auf Formen etwas gehalten -, greift tief in die Kisten der Erinnerung, während er im Keller herumlungert. Und was er alles erlebt hat! Heldenplatz, anno 38. Wie ein "riesiger Heuriger, nur feierlicher". Und dann der Hitler, diese Persönlichkeit. Der jüdische Herr Tennenbaum aus dem Gemeindebau, in dem der Herr Karl als Blockwart wirkte, grüßt ihn nach dem Krieg nicht mehr. Und man glaubt sofort, dass einer wie der Herr Karl sich gar nicht vorstellen kann, warum.

1961 hat der Wiener Schauspieler, Autor und Kabarettist Helmut Qualtinger "Der Herr Karl" zum ersten Mal gespielt. Damals wollte noch niemand unter Talare oder graue Lageristenkittel lugen, wo denn der Muff von 1000 Jahren geblieben sei. Die Figur wurde ein Skandal - und eine Legende. Doch wie das so ist mit Legenden: Man kennt sie vom Hörensagen, beschäftigt hat man sich mit ihnen schon länger nicht mehr. Umso besser, dass im Frankfurter Stalburg Theater nun der unter anderem als Protagonist des Molière-Festivals "Barock am Main" bekannte Schauspieler Matthias Scheuring in die Rolle des Herrn Karl schlüpft. Und das Kleinod auch Leuten, die lange nach dem einstigen Skandalstück geboren sind, wieder zugänglich macht. Schließlich sind die Herren Karl auch heute noch anzutreffen, sie heißen nur anders.

Scheuring gelingt es in dieser Koproduktion mit dem Dortmunder Theater im Depot meisterhaft, auch das ins Bewusstsein zu heben: Scheuring, der an Qualtingers Karl auch physisch erinnert, verkörpert ihn geradezu in der anfänglich charmanten Wurstigkeit, die bald die Fratze der Bosheit zeigt, in seiner Widerlichkeit und Speckigkeit, seinem Chauvinismus und der selbstgefälligen Haltung des Schmarotzers, der sich dicke Scheiben Speck aufs Jausenbrot säbelt und von den "Maderln" redet. Man lacht - und schaudert dabei. So muss es sein. Und, o Wunder: Obwohl außer einigen schönen Wiener Ausdrücken wie "keppeln" der Dialekt behutsam frankfurttauglich gemacht worden ist, geht der gebürtige Kieler Scheuring, der am Burgtheater engagiert war, in Tonfall und Haltung als Wiener durch.