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Die FAZ über DIE BETTLEROPER

Das Große bleibt groß nicht - "Die Bettleroper" nach John Gay im Stalburg Theater

Matthias Bischoff, Samstag, 10. September 2011

Als John Gay im Jahr 1728 seine "Beggar's Opera" in London zur Uraufführung brachte, galt das Stück als Sensation und Skandal zugleich. Es parodierte und travestierte die barocke Oper à la Händel und holte sie von den Höhen der Könige, Prinzessinnen und Götter in die Niederungen der Gauner, Prostituierten und Bettler herab. Bereits der Titel, nämlich nicht etwa "Oper über Bettler", sondern "Oper für Bettler", das niedere Volk also, galt als Provokation. Zumal der dreiaktige Schwank auch nicht mit Anspielungen auf die Korruption und Doppelmoral einer verkommenen Gesellschaft geizte.

Kein Wunder, dass die lebenspralle Geschichte vom gierigen Mädchenverführer Macheath und seinen eifersüchtigen Geliebten Polly und Lucy in den vergangenen dreihundert Jahren immer wieder Dichter, Komponisten und Regisseure zu Bearbeitungen anregte, unter ihnen Benjamin Britten und natürlich Brecht und Weill mit ihrer "Dreigroschenoper". Ohne Scheu vor den großen Vorbildern hat sich nun das Frankfurter Stalburg Theater an den großen Stoff gewagt, und das Ergebnis, das auf der kleinen Bühne seine vom Publikum umjubelte Premiere feierte, kann sich mehr als sehen lassen.

Dabei gelingt Ingrid El Sigai, Monica Ries und Markus Neumeyer, die sämtliche Figuren ohne große Kostümwechsel verkörpern, mit sparsamsten Mitteln eine ebenso schräge wie temporeiche Oper en miniature, ein anderthalbstündiges Bettler-Musical, in dem sich Zitate aus allen möglichen Musikstilen und Epochen zu einem stimmigen Ganzen verbinden. Vor allem ist dies der musikalischen Arbeit Neumeyers zu verdanken. Er hat aus der ohnehin nur in wenigen Bruchstücken erhaltenen barocken Originalmusik von Christoph Pepusch den hohen Ton der Koloraturen entlehnt, vermischt das Material jedoch mit Rock, Schlager, Couplets und Bänkelsang. Der große Flügel auf der Bühne kommt nur gelegentlich zum Einsatz, die meiste Zeit kommt das stark rhythmisierte Playback vom Band, und man kann die Perfektion, mit der Bühnengesang und Hintergrundmusik harmonieren, nicht genug rühmen. Dabei spart Neumeyer nicht mit wirkungsvoll eingestreuten Zitaten, baut etwa das berühmte "Money Makes The World Go Round" aus "Cabaret" zu einem ganz neuen Song um und lässt die Beatles mit "All You Need Is Love" kurz grüßen.

Das macht durchweg Spaß und ist ein so großes Hörvergnügen, dass man die schauspielerischen Leistungen der drei Akteure, die nicht das Niveau der musikalischen Darbietung erreichen, klaglos hinnimmt. Unter der Regie von Manfred Roth hantieren die drei mit roten und blauen Neonröhren und sprechen kurze Textstückchen, die kaum mehr als Einleitungen zu Songs sind. Minimalistisch sind auch die übrigen theatralischen Mittel, eine Brille, ein Halstuch, eine Anzugjacke genügen, um aus Mister Peachum Macheath, aus Polly Lockit zu machen. Das geschieht im fliegenden Wechsel auf offener Bühne und trägt nicht wenig zum Gelingen des Abends bei, der seinen Charme zu einem großen Teil aus der effektvoll einstudierten Leichtigkeit bezieht.