STOFFEL 2023: Newmen
Krautpop
In einer Zeit, in der Wald als „ungenutzte Fläche“ gilt und man jederzeit ermutigt wird, Zeit und Raum mit einem Preis zu bemessen, ist es natürlich schwierig, von Leichtigkeit zu sprechen, ohne daran zu denken, was man dafür bezahlen muss. Um diese zugegeben eher skeptische Perspektive auf die Zukunft einzufangen, macht NEWMEN den Spagat zu den ersten Hallelujah-Momenten, als Technologie Einzug ins Musikmachen hielt (Kraftwerk, NEU! und Konsorten). Hier gehen flächenfüllende Synthesizer der analogen Machart Hand in Hand mit stakkatoartigem Gitarrenspiel der späten 70er und frühen 80er einher.
Mit Ihrem „Krautpop”, der in all diesen Gefilden herangewachsen ist, haben NEWMEN auf ihrem dritten Album FUTUR II einen Stil entwickelt, der einerseits tief verwurzelt ist in den technologischen Innovationen der Industrieländer, sich aber nie anbiedert, um vom allmächtigen Algorithmus auf die neueste Lifestyle-Playlist gezogen zu werden. Zugegeben kann es Spaß machen, zu hören, wie sich The Weeknd in Aha!-Cosplay übt, aber NEWMEN bedient den Teil des Hirns, der davon träumt, etwas richtig gutes zu essen, während man sich am Hauptbahnhof gleich zwei Whopper holt, weil sie zur Zeit nur einen Euro kosten. FUTUR II bietet eine einzigartige Perspektive zwischen Ausweglosigkeit und grenzenlosen Optionen. Hier entsteht ein Blick auf die Welt, in der wir zusammen mit NEWMEN gleichzeitig observieren und observiert werden. Eine serene Auffassung davon, dass alles zu spät gewesen sein könnte, ohne die Arroganz sowas mit Sicherheit behaupten zu können. Oder wie es im Song „Futur I“, eine Zusammenarbeit mit dem Ex-Kraftwerk-Roboter Wolfgang Flür, heißt: „There will be much to observe!“
Foto: Philipp Rauland