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Das Wiesbadener Tagblatt über "Eifersucht"

Eifersucht als Wortgemetzel: Premierenerfolg bei „Curioso“

Lale Artun

Mit der Untreue ist es so eine Sache. So lange sie unbemerkt vor sich geht, ist es für die Betrogenen, als wäre sie nie geschehen. Aber wenn sie ans Licht kommt, wird es meist hässlich. Das muss auch Helen erfahren, eine erfolgreiche Anwältin Mitte fünfzig, als sie per Mail über die Untreue ihres Mannes Laszlo informiert wird. Absenderin ist Yana, Architektin und wohnhaft im gleichen Gebäude, sechs Stockwerke über Helen. Die fünfzehn Jahre jüngere Rivalin offenbart ihre heiße Affäre mit Laszlo und fordert Helens Ehemann für sich. Die Reaktion lässt nicht lange auf sich warten, in einer gepfefferten Antwortmail stellt die abgeklärte Juristin trocken fest: „Falls Laszlo mir in diesen achtzehn Jahren je untreu gewesen ist, war es ihm zumindest nicht nachzuweisen. In dubio pro reo, sagen wir Advokaten da.“ Hergeben will Helen ihren Mann nicht.

Was dann folgt, wäre im wahren Leben wahrscheinlich gar nicht lustig. Unerbittlich hauen sich die beiden bissigen Damen eine giftige Mail nach der anderen um die Ohren. Auf der Bühne freilich entspinnt sich in den folgenden 90 Minuten ein urkomisches digitales Gemetzel zwischen diesen beiden gestandenen Frauen, die von der Eifersucht gepackt werden.

„EiferSucht“, ursprünglich geschrieben als „Drama für drei Faxmaschinen“ von Esther Vilar, ist in der Umsetzung des Darmstädter Theater Curioso im Mollerhaus ein Drama im Zeitalter des Internets. Unter der Regie von Ulrich Sommer liefern sich Nadja Soukup als toughe Anwältin Helen und Nicole Klein als sinnliche und zugleich berechnende Architektin Yana einen packenden Schlagabtausch, in dem der Mann, um den es vordergründig geht, die geringste Rolle spielt. Hier geht es um mehr, um Eifersucht, Sex, um Liebe, Karriere, um Geschlechterklischees, um die Selbstwahrnehmung der Frau an sich. Und darum, wie sehr diese von der Wahrnehmung eines übergewichtigen, von Bluthochdruck geplagten, Bürohengstes mittleren Alters abhängig ist.
Richtig toll wird es aber erst, als aus einer geschassten Frau zwei werden, weil Yana feststellen muss, dass auch sie Helens Mann nicht zur dauerhaften Treue verführen kann. Der vergnügt sich mittlerweile auch noch mit der jungen Studentin und Yogalehrerin Iris, hervorragend verkörpert von Constanze Sophie Keller. Die verfügt zwar weder über eine beeindruckende Karriere noch über eine teure Dessouskollektion, dafür beherrscht sie Tantrasex und trägt überhaupt keinen BH – noch besser. Was als stutenbissiges Duell begann, steigert sich zu einem grandiosen virtuellen Wortgefecht zwischen drei völlig verschiedenen Frauen, von deren genialem Zusammenspiel diese bitterböse Satire lebt.

Da wird sich nichts geschenkt: Während die Damen abwechselnd ihre vordergründig höflichen Mails aufsetzen, fliegen doch in Wahrheit jedes Mal die Fetzen. Der Zuschauer wird da zum Seelenvoyeur, wenn Helen, Yana und Iris nach und nach ihre niedersten Gefühle offenbaren. Die Eifersucht eben – eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft.