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Die FR über "Die Frau aus dem Michelangelo"

Eine Frau auf Abwegen. Attraktiv, mittleren Alters, in familiären Verhältnissen mit einem erfolgreichen Geschäftsmann, der ein Haarinstitut betreibt und sie bieder-fürsorglich liebt. Lehrerin ist sie mal gewesen, aber das mit dem Arbeiten, sagt sie mit einer frappierend dahingeworfenen Selbstverständlichkeit, ist nichts für sie. Nun ist sie Hausfrau mit Mutterpflichten. Und dann ist da unversehens diese irritierend pikante Situation.

Das 2013 in Paris uraufgeführte monologische Stück „Die Frau aus dem Michelangelo“ von dem französischen Komödiendichter Eric Assous, im Frankfurter Stalburg-Theater gespielt von der krimiserienbekannten Isabel Berghout, ist ein dankbarer Stoff für eine Schauspielerin. Leichte Kost, keine Frage, Assous ist ein Autor des Boulevards. Aber fein gesponnen, mit überraschenden Wendungen und einem ordnungsgemäßen Cliffhanger vor der Pause.
Ein Ort des glamourösen Ausbruchs aus der heimischen Enge ist für die namenlose Frau die Bar des noblen Hotels Michelangelo. Das Stalburg-Theater ist dafür eigens mit Tischgruppen hergerichtet. Die Freundin der Protagonistin taucht mal wieder nicht zur verabredeten Zeit auf. Dafür sitzt da dieser Mann am Tisch nebenan. Ziemlich dreist sucht er den Kontakt – und bietet Geld für Sex. Viel Geld, Edelprostituiertentarif.

Sie lässt sich auf das Spiel ein, nicht des Geldes wegen, vielmehr um des unwiderstehlich pikanten Reizes willen. Bis sie sich tierisch verliebt in den einesteils unvermutet zärtlichen, dann aber auch liebesgeschäftsrüpeligen Kerl, und ihm in seiner Anwaltskanzlei auf die Pelle rückt. Er gibt zumindest vor, die Liebe nicht zu erwidern. Gleichwohl gewinnt die Angelegenheit einige Dauer. Unter der von dem Mann gesetzten Bedingung, dass er weiterhin bezahlt.
Besonders tief schürft das Stück nicht. In einer wie mal eben reingepfriemelten Szene drischt ein Psychotherapeut sein Stroh von einer möglichen tiefsitzenden Verachtung für Frauen ob eines Traumas und dem daraus erwachsenden Wunsch, sie zu erniedrigen oder alternativ von dem Geld als Schutzmantel vor Gefühlen. Oder wiederum alternativ als Trophäe des Erfolgs.

Aber man bleibt schon dabei, das Interesse daran, wie es weitergeht, wird wachgehalten. Zumal Isabel Berghout, unter der inszenatorischen Obhut ihres Schauspielerkollegen Rainer Ewerrien, das ganz hervorragend macht. Äußerst präsent, geradlinig und schlicht, geleitet von der disziplinierten Lust an einer sublimen Komik. Eine Freude.

Die finale Auflösung des Stücks ist bemerkenswert läppisch. Im Grunde ein klassischer Komödienschluss: Rückkehr ins normale Leben; die für einen Moment aus dem Gefüge geratene Welt ist wieder im Lot. Womöglich soll das ja die ernüchternd wirklichkeitstriftige Pointe darstellen: So gewöhnlich ist es gemeinhin halt, das Leben. Aber da erwartet man doch mehr. Vom Leben, und, ganz besonders, vom Stück. Isabel Berghout ist bei der Premiere mit einem ganz langen und herzlichen Beifall gefeiert worden. Ganz zurecht.

Stefan Michalzik, 15.9.2018