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Die WAZ über die Dortmund-Premiere von "Der Herr Karl"

Die Herr Karls der Neuzeit – Sie sind überall - die Herr Karls der Neuzeit. Sie laufen auf der Straße, benutzen Straßenbahnen und gehen in die Kneipe.

Rainer Wanzelius, Samstag, 10. Oktober 2009

Unauffällige Spießer aus kleinbürgerlichem Milieu, die sich immer den Meinungen der Mächtigen anpassen. Und egal mit welchem Nachnamen sie sich tarnen - Vorsicht ist geboten! Denn die Herr Karls haben eines gemeinsam: „Sie sind nicht unsympathisch, dafür aber brandgefährlich”, sagt Schauspieler Matthias Scheuring, der eben jenen Herrn Karl erstmals am Donnerstag, 8. Oktober, 20 Uhr, im Theater im Depot verkörpern wird.

Was die Sache erschwert: „In vielen ihrer Ansichten will man ihnen auch zustimmen”, fügt Scheuring hinzu. Als zeitlos und zugleich politisch beschreiben Schauspieler und Theater-im-Depot-Chef Berthold Meyer den Stoff ihres neuen Stückes nach der gleichnamigen Vorlage des österreichischen Autorenduos Helmut Qualtinger und Carl Merz. Politisch, weil die Handlung eindeutig Stellung bezieht zu geschichtlichen Ereignissen in Österreich. Zeitlos, weil die Handlung auf heutige Zeiten übertragbar ist.

„Millionen sind geflossen in der Inflation - aber gehabt haben wir nichts davon”, klagt Herr Karl, der sich während seines einstündigenen Monologs im Kellergewölbe eines Feinkostladens aufhält. Parallelen sind erkennbar: „Nur, dass es in Zeiten der Wirtschaftskrise nicht mehr um Millionen, sondern um Milliarden geht”, meint Meyer.

Bitterste Wahrheiten erfahre der Zuschauer, dazu Geschichtliches. Es handelt sich um keine Geschichtsstunde, betont der Schauspieler. „Erzählt wird aus der subjektiven Sicht eines Mannes, der sein Fähnlein mal in, mal gegen den Wind hält.” Bei der Erstveröffentlichung 1961 löste der Monolog Proteststürme aus. Den Daumen in die Wunde halten, wollten die beiden Theatermacher dagegen nicht.