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Die FR über "Das Leben des Vernon Subutex, Teil 1"

„Vernon Subutex“: Der Weg nach unten

Judith von Sternburg, 5.2.2020

Im Frankfurter Stalburg Theater hat der aufwendige Dreiteiler „Das Leben des Vernon Subutex“ fulminant begonnen.

Das Leben des Vernon Subutex“, der dreiteilige, ziemlich sensationelle und auch sensationell aufgenommene Roman von Virginie Despentes (zwischen 2015 und 2018 auf Deutsch bei Kiepenheuer & Witsch erschienen), ist jetzt und demnächst auf einer der kleinsten Bühnen der Stadt Frankfurt als ebenfalls dreiteiliges Stück zu stehen. Für das Stalburg Theater ist das ein Riesenprojekt, allerdings wäre es auch für jedes andere Theater ein Riesenprojekt, allerdings für das Stalburg Theater doch noch riesiger. Der Vorteil von Riesenprojekten kann sein, dass man wirklich alles gibt.

Das Erstaunlichste an Teil I, der jetzt Premiere hatte, ist, wie einfach, lässig und ungemein kompakt alles wirkt. Zwei Menschen, die alle Rollen unter sich ausmachen, spitzenmäßige Videoeinspielungen, die auch wieder die beiden Menschen zeigen, wieder in anderen Rollen und anderen Situationen.

Eine immense Leistung nicht allein der Schauspielerin Iris Reinhardt Hassenzahl und des Schauspielers Christoph Maasch, sondern auch der Regisseurin Katja Lehmann: Sie hat eine Bühnenfassung hergestellt, die stringent und total verständlich voranschreitet – ohne Erzähler, nur O-Töne, hinten auf der Leinwand erscheinen die Namen, sind aber natürlich nur Schall und Rauch – und es trotzdem schafft, sich Zeit zu nehmen für das Gequassel, das im „Leben des Vernon Subutex“ ebenfalls einen Platz finden muss, wenn die Hülle und Fülle des Buches auch nur zu erahnen sein soll. Zusammen mit Till Caspar Juon war sie auch für die Videos zuständig.

Für das Publikum ist also alles ganz einfach. Hassenzahl und Maasch hingegen müssen ständig auf Draht sein. Auf der mit Stufen und Wänden versehenen Allzweck-Bühne (Herbert Huber und Moritz Bauer), auf der erst das Team nachher ins Stolpern gerät – die beiden hingegen sind hier wie Fische im Wasser –, ist er in erster Linie, aber keineswegs nur Subutex selbst: ein pleite gegangener Plattenladenbesitzer, der nicht mitbekommen hat, dass er älter geworden ist (bisher musste er auch nicht darüber nachdenken). Er ist oder war Mitglied einer coolen Pariser Partyszene, mit der er jetzt nicht mehr mithalten kann. Hassenzahl wechselt unterdessen noch häufiger die Rollen, die Kostüme, Kopfbedeckungen und Haare, wird dumm, wird eisig, dreht auf, dreht ab. Die Kostüme sind von Doreen Winkler, die ebenfalls ganze Arbeit geleistet hat, aber das ist kein Kostümfest. Alles dient dem rasanten Fortgang des Geschehens.

Die Dinge sind kompliziert, aber sie bewegen sich für Subutex bergab. Selbst wenn man zu denen gehört, die Despentes’ Roman nicht gleich als Menetekel für die gesamte französische Gesellschaft lesen wollen, so kann der Abstieg Subutex’ einen doch das Fürchten lehren. Erst ist die Arbeit weg, dann das Geld, dann die Wohnung, dann der letzte Schlafplatz. Dann geht es auf die Straße, wo Neonazis Bettler schlagen. Die Szene ist komisch und trotzdem nicht harmlos.

Der Ton, den Despentes anschlägt, kennt neben Sarkasmus, Selbstironie und kurzen Momenten des Ernstes auch schieren Witz, und es ist enorm, was für eine Vielfalt davon geboten wird. Dass die Geschlechter weitergereicht werden wie die Dackelohrenmützen, passt ebenfalls zum Roman und hat zur Folge, dass Maasch als keuchende Déborah/Daniel im Fitnessstudio zu erleben ist. Gerade weil es eine diskrete Szene ist, fallen einige Leute vor Lachen unter den Stuhl.

Es gibt handverlesene Musik vom Band, aber es trägt zur Straffheit bei, dass Maasch und Hassenzahl sich davon nicht lange ablenken lassen, keine Gesangseinlagen. Die Videos bieten manchmal Verschnaufpausen, dann wieder können sich auf diese Weise auch drei oder vier Personen unterhalten. Dass das technisch so gut sitzt, ist keine Selbstverständlichkeit. Riesenprojekt, Riesenvorbereitung.

Für Subutex ist noch nicht aller Tage Abend, Mitte März geht es weiter.