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Die FNP über die Frankfurt-Premiere von "Der Herr Karl"

Mit dem Charme des Spießers – Helmut Qualtingers Theatermonolog «Der Herr Karl» hatte am Frankfurter Stalburg Theater Premiere

Donnerstag, 19. November 2009

Einen wie ihn trifft man fast überall. Hat nichts gelernt: nie einen gescheiten Beruf ausgeübt, aber sich immer so über Wasser gehalten. Da hockt er nun zwischen ein paar Holzkisten im fahlen Licht des Kellergewölbes eines Feinkostladens und führt fein säuberlich in einem Schulheft Bilanz über eingekaufte Waren und erzählt nebenher in einem Monolog die eher traurige Geschichte seines Lebens. Zündet sich eine Zigarette an, nimmt einen kräftigen Schluck aus der Schnapspulle und schmiert sich umständlich ein Speckbrot.

Der Herr Karl hält kritisch Rückschau auf die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg bis zur Befreiung Österreichs von der Naziherrschaft und findet an seinem Land kaum etwas Gutes. Als die Massen auf dem Heldenplatz dem «Führer» zujubeln, steht er in der ersten Reihe, blickt dem Diktator ins Gesicht und zieht daraus eine Lehre fürs Leben: Mit einem scharfen Blick kann man so manchen Sieg davontragen. Etwa bei Frauen; drei Ehen hat er geführt, wobei er immer den jeweiligen Status der Dame genüsslich ausgenutzt hat, um sein faules Leben zu ermöglichen. Mit Jobs wie Billeteur in einem Kino, Verwalter oder eben Buchhalter konnte er sich immer über Wasser halten. Den kulturellen Seiten des Lebens abhold, ist der Herr Karl vor allem einer, der seine Ruhe haben, im Wirtshaus gut essen und trinken will und möglichst wenig von der Politik wissen möchte. Ein Spießer wie er im Buch steht, aber doch einer, der durch seinen Charme sympathisch wirkt, obwohl er das Fähnchen für die Faschisten schwenkt oder für die Sozialisten – solang er dafür nur ein paar Schilling bekommt.

Matthias Scheuring, an Leibesfülle Qualtinger fast ebenbürtig, verkörpert diesen Herrn Karl (Uraufführung 1961), im – angelernten – Wiener Idiom mit Grandezza. Er schwitzt, grantelt, murrt und kokettiert in diesen kurzweiligen 70 Minuten, dass es eine Freude ist. Eine schauspielerische Glanzleistung.