Logo Stalburg Theater

Die FNP über "Die Baronin und die Sau"

Verkniffene Dame kann vom Naturkind noch was lernen – Katja Lehmann inszenierte als Zweipersonenstück «Die Baronin und die Sau» von Michael Mackenzie im Frankfurter Stalburg Theater

Marcus Hladek, Samstag, 8. Januar 2011

Drei Aluminiumrahmen an Schnüren hängen über der Bühne, ein Deckenlager und niedrige Bänke komplettieren Herbert Hubers kühle Szene. Bildlich deutet sich schon an und wird alsbald zum Thema: Fremde Erwartungen pressen uns in ihren Rahmen, nötigen uns eine Galerie konventioneller Vorbilder dessen auf, was sich geziemt. Bilder geraten aber manchmal in Fluss, Rahmen können gesprengt werden. Kein Wunder, dass Uta Köbernick als Emily, ein mit den Schweinen aufgewachsenes Naturkind, und Jule Richter als Baronin, die Emily im Pgymalion-Stil zur etikettesicheren Zofe «erheben» will, mit besagten Rahmen jonglieren werden. Seelen mögen keine Fenster haben, Emily und die Baronin aber lernen, von Seele zu Seele eins zu öffnen. In hundert Minuten werden sie sich zum Spiegel, bis ihr altes Ich, ihr Gefängnis, befreiend zerspringt.

Der kanadische Autor Michael MacKenzie hat sein Stück mit historischem Schauplatz (Paris 1887), viel Bezug und allerlei Figuren ausgestattet. Michael Herl (Dramaturgie) reduziert dies alles auf den zeitlosen Zweierkern. Das kostet Verluste, denn dass die Baronin als reiche philanthropische Quäkerin ihr Sozialexperiment angeht, wird nur angedeutet, ihr anfänglicher Adelsdünkel (verkniffene Mimik, blasierte Haltung, gekünstelte Sprache) hängt daher komisch, aber klischiert in der Luft. Umso pointierter glückt Herl, Lehmann und den Darstellerinnen das Modellhafte. Skandiert wird das Spiel im Wechsel kurzer Szenen von der urig-brachialen Musik Ludwig Bergers.

Die nobel geschminkte Jule Richter trägt ein strenges Salz-und-Pfeffer-Kostüm, Uta Köbernick, die lieber Liedermacherin ist, statt fest am Berliner Ensemble zu bleiben, bedeckt ihren sportlichen Körper mit wilder Bekleidung aus Gummistiefeln, Wollmütze, Schmuddelhose, schulterfreiem Oberteil, Armschützern.

Gefällt schon Richter mit innerer Zerbrechlichkeit, so brilliert Köbernick als komische Kaspar-Hauser-Figur in allen Registern einer kunstvoll gespielten, sprachlos naiven Unschuld. Wer bis zur Pause erwartet, Emily schwinge sich zur Meisterin über die Baronin auf, liegt falsch: Keine Norm wird bekräftigt, nur Freundschaft geschlossen.