Die FAZ über die TRAUMNOVELLE
Eine Ehe in Gefahr – Das Stalburg Theater zeigt Schnitzler im Nachtclub
Christian Riethmüller, Montag, 28. März 2011Das Stalburg Theater geht fremd. Die Dramatisierung von Arthur Schnitzlers "Traumnovelle" wird nämlich nicht im Stammdomizil an der Glauburgstraße aufgeführt, sondern im Nachtclub "Pik Dame", der an der Elbestraße im Frankfurter Bahnhofsviertel zu finden ist. Theaterchef Michael Herl hat damit eine reizvolle wie auch hintersinnige Ortswahl getroffen, geht es in Schnitzlers Erzählung doch neben allerlei erotischen Phantasien eines Ehepaars auch um (geträumte) Tabubrüche und das Ringen mit bürgerlichen Moralvorstellungen.
Diese Konventionen, die schon bei Erstveröffentlichung der "Traumnovelle" im Jahr 1926 am Erodieren waren, gibt es nach der sexuellen Revolution in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und angesichts einer milliardenschweren Erotik- und Porno-Industrie aber nicht mehr. Was vor dem Hintergrund der dem Untergang geweihten Welt des habsburgischen Wiens frivol, pikant, delikat oder auch degoutant erscheint, ist in der Großstadt des 21. Jahrhunderts nicht mehr der Rede wert. Wahrscheinlich hat deshalb schon Stanley Kubricks Verfilmung der "Traumnovelle" unter den Namen "Eyes wide shut" bei aller filmischen Meisterschaft die Überzeugungskraft gefehlt, weil ihre Verlagerung ins heutige New York den Sittenkodex des frühen 20. Jahrhunderts außen vor ließ.
Dieser Kodex fehlt auch der dramatischen Bearbeitung der "Traumnovelle", die nun unter Regie von Nenad Smigoc im "Pik Dame" gezeigt wird. Zudem ist die vielschichtige, zwischen Wirklichkeit und Traum mäandernde Handlung so gnadenlos gekürzt und gestrafft worden, dass sie eher einem Gerüst gleicht. An dem hangeln sich der Arzt Fridolin (Nenad Smigoc) und seine Frau Albertine (Patricia Aulitzky) durch eine Nacht, die, von Flirts, erotisierenden Begegnungen und Verlockungen befeuert, zu Geständnissen führt, die die Ehe und das Verhältnis der beiden in ernste Gefahr bringt.
Nenad Smigoc und die aus etlichen TV-Rollen bekannte Patricia Aulitzky, die im wahren Leben miteinander verheiratet sind, gelingen im rotplüschigen Interieur des Nachtclubs durchaus spannende Momente, doch die Eindringlichkeit der Vorlage will sich in dieser gestrafften, sprunghaften und durch eine unverhältnismäßig lange Pause gestörten Bühnenversion nicht einstellen. Eher als Zugeständnis ans Etablissement ist zudem eine Striptease-Einlage einer Tänzerin des Clubs zu deuten. In einem Nachtclub konsequent auf die Darbietung nackter Haut zu verzichten und nur der Phantasie ihren Lauf zu lassen, wäre letztlich verblüffender gewesen.
Weitere Aufführungen am 29. und 30. April sowie am 27. und 28. Mai. Beginn jeweils um 20.30 Uhr.