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Die FAZ über "Viel Lärm um nichts"

Äppler mit Häkelmütze – "Viel Lärm um Nichts" erfrischt im Stalburg Theater

Eva-Maria Magel, Dienstag, 14. September 2010

Zumindest dem Premierenpublikum ist am Kassenhäuschen ein Besetzungszettel in die Hand gedrückt worden. Vorsichtshalber. Drei Schauspieler in 16 Rollen, das hat es im Frankfurter Stalburg Theater schließlich noch nicht gegeben. Und der Autor heißt weder Wolf Schmidt noch Michael Herl, sondern: William Shakespeare. Auch das hat es noch nicht gegeben.

Mit "Viel Lärm um nichts" hat sich Regisseur Manfred Roth genau die richtige unter Shakespeares Komödie ausgesucht, für die kleine Bühne und ihr Publikum, aber auch, um seine Darsteller Jule Richter, Nenad Šmigoc und Heinz Harth ihre Schauspielkunst und ihr Können ganz entfalten zu lassen. Den Besetzungszettel kann man sich getrost schenken, denn die beinahe tänzerische Leichtigkeit, mit der die Schauspieler in Sekundenbruchteilen in Körperhaltung und Sprachgestus und mit ein paar Requisiten die Charaktere wechseln, ist schlichtweg famos.

Wie bis in die Haarspitzen akrobatisch etwa Jule Richter von der kecken Beatrice zum zähnebleckenden Jung-Graf-Schnösel Claudio wird, von dort die Häkelmütze des Kleinganoven Branchio aufsetzt, um Heinz Harth, der vom guten Prinz Pedro zum bösen Halbbruder John wird, die Perücke zu reichen, die ihn zu einer der Kanzlerin verblüffend ähnelnden Hero macht, das hat schon Klasse. Und womöglich setzt Nenad Šmigoc, den man wie die beiden anderen Schauspieler schon in einigen Stalburg-Produktionen sehen konnte, als Leonato, Antonio, Margaret und Pater, noch eins drauf: Die Mimik seines Benedikt, der abrupte Wechsel vom Haudegen zum schafsköpfigen Verliebten begleiten feine sprachliche Abstufungen - ganz abgesehen von den witzigen Wortgefechten, die Shakespeare dem kratzbürstigen Paar Beatrice und Benedikt gönnt und die Richter und Smigoc lustvoll auskosten. Und auch dabei findet Roth immer neue, sinnfällige, aber nie ostentative Körper-Bilder, die Räume und Atmosphären in einem überaus bescheidenen Bühnenbild zaubern: Bahnen aus froschgrünem Flauschstoff, zwei Tapeziertische und drei silbrig angemalte Wirtshausstühle nebst drei Stablampen sind die ganze Ausstattung (Roth, Herbert Huber, Esther Himmighofen).

Die traditionelle Übersetzung von Wolf Graf Baudissin ist von Roth so geschickt gekürzt, dass man nichts vermisst, im Gegenteil - die Straffung tut der Sache sehr gut. Dafür bleibt Raum, um das ein oder andere Bild ein paar Momente stehenzulassen. Um zeitgenössische Gags einzufügen, aber vor allem, um auch die Schattenseite der Geschichte zu zeigen - Geld, Hass, Dummheit, Heuchelei. Bis es ganz still wird, ernst und tragisch, wenn Hero verleumdet wird.

Es bleibt auch Zeit, um den Shakespeare-Song "Sigh no more" zu trällern. Dass er sich der Vertonung aus Kenneth Brannaghs zauberhafter Verfilmung von 1993 bedient, kommt nicht von ungefähr: Auch der Auftritt der beiden Schergen verdankt John Cleese und seinen Kollegen aus der Verfilmung einiges. Bei den zu "security commanders" ernannten Leib- und Nachtwächtern scheint das deftige Hessisch und Sächsisch der "Äppler" und "Butterbemme" getauften Taugenichtse fast nur noch an den Rändern eines englischen Kauderwelsch hervor, an dem nur eins nicht komisch ist: seine furchtbare Nähe zur pseudopolyglotten Realität. Shakespeare, verknüpft mit Mundart und Satire, das ist die logische und überaus gelungene Weiterentwicklung einer Art Schauspiel, wie sie das Stalburg Theater seit zehn Jahren pflegt. Äppler würde wohl sagen: "urban style 21st century Volkstheater".