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Die FAZ über "Das Leben des Vernon Subutex Teil 1"

Der Dreck setzt sich fest

Eva-Maria Magel, Mittwoch, 5. Februar 2020

Gewagt, gewonnen: Am Frankfurter Stalburg Theater hat Katja Lehmann ihre eigene Fassung des Kultromans "Vernon Subutex" inszeniert - zwei weitere Teile folgen.

Der 1867 eröffnete Parc des Buttes Chaumont mit seinen romantischen Kunstfelsen, Brücken und Wegen wird Vernon Subutex' neues Zuhause. Nach zweieinhalb Stunden irrer Achterbahnfahrt durch ein Leben und durch Paris ist er ganz unten angekommen, auf der Straße und im Park. Noch vier Wochen, dann werden wir sehen, wie es weitergeht.

Doch selbst wenn man nicht wüsste, dass Katja Lehmann ihre Dramatisierung von Virginie Despentes' Erfolgsroman "Das Leben des Vernon Subutex" ebenso wie die Autorin auf drei Teile angelegt hat: Auch so ist "Vol. I", wie es nun auf den sich drehenden Schallplatten zu lesen steht, ein in sich abgeschlossener Abend.

Einer, der trotzdem einlädt, sich auch noch die restlichen zweimal zweieinhalb Stunden anzusehen. Das Frankfurter Stalburg Theater ist mit dem Vorhaben, seinem Publikum eine ganze Stückserie anzubieten, quasi "Binge-Watching" für die Bühne, ein Wagnis eingegangen. Nach allem, was man nach dem ersten Teil sagen kann, ist es gelungen.

Denn Christoph Maasch, der außer Vernon Subutex auch alle anderen männlichen Rollen sowie die Transperson Deborah spielt, und seine Partnerin Iris Reinhardt Hassenzahl, die alle Frauen verkörpert, schaffen das Kunststück, Despentes' überbordendes Universum nur zu zweit, mit rasch wechselnden Haltungen, Kostümen (Doreen Winkler) und Accessoires, zum Leben zu erwecken. Viel trägt dazu bei, dass Lehmann, die auch im Film arbeitet, zusammen mit Till Caspar Juon zahlreiche Videos produziert hat, die sowohl Kulisse schaffen, von Vernons einstigem Schallplattenladen bis zum Supermarkt, als auch mit animierten Einspielern psychedelische Farben und gewitzte Kommentare abgeben. Und mit Videos der gut drei Dutzend Protagonisten zum regelrechten Mitspieler werden. Gleiches gilt für die geschickt ausgewählte Musik aus Rock- und Popgeschichte.

Vor allem Maasch gelingt es, seinen vielen Figuren individuelle Färbungen zu verleihen, vielleicht auch, weil er immer wieder zu seinem zentralen Vernon Subutex zurückfinden kann, einem Großstadt-Simplizissimus mit Drogennamen, dem seine vielen Bonmots eher zu geschehen scheinen. Lehmann hat den Text geschickt gestrafft. Die Handlung läuft zwar stark auf den detektivischen Strang rund um das letzte Interview des gestorbenen Popstars Alex Bleach zu, und Lehmann hat, zumindest in diesem ersten Teil, die zuweilen sehr krasse, direkte Sprache der Vorlage durch ihre Striche entschärft. Dennoch bleibt erhalten, was die Brisanz von Despentes' bisweilen ungeheuer komischer und sehr unterhaltsamer Prosa ausmacht: Sie holt aus Figuren wie dem hasserfüllten Drehbuchschreiber Xavier, der frustrierten Ex-Punkerin Emelie und der "Porneuse" Pamela Kant all die Unaussprechlichkeiten, Aggressionen und Frustrationen hervor, an denen sich ein Leben jenseits der 40 bis 50 so abgeschliffen hat - selbst wenn die wenigsten, so wie Subutex, erst langsam, dann immer schneller, dem Abgrund entgegenkreiseln.

Das kleine Nordend-Theater weitet sich, und es ist längst nicht nur Paris und sein Umland, das gemeint ist. Die gesellschaftlichen Krisen, die Despentes anhand ihres bunten Personals aus Sex, Drugs und Rock-Milieu zutagefördert, liegen auch vor unserer Haustür. Und die Buttes Chaumont, die waren damals Vorbild für den Frankfurter Palmengarten.

"Das Leben des Vernon Subutex Vol. I" ist am 13. und 18. Februar wieder zu sehen. Teil zwei hat am 10. März Premiere, Teil drei am 15. April, alle Teile werden weiter gespielt.