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Die FAZ über RAPUNZEL-REPORT

Alltag der sieben Zwerge – "Rapunzel-Report" im Stalburg Theater

Christoph Schütte, Samstag, 11. Januar 2010

Dieses Stück wird ein Renner. Jedenfalls, wenn man dem restlos begeisterten Stalburg-Theater-Publikum bei der Premiere Glauben schenken will. Und in der Tat, die Idee hat zweifellos ihren ganz eigenen Charme: Dornröschen, Aschenputtel und Rapunzel und all die anderen wahrhaft rührenden Romanzen aus den Hausmärchen der Brüder Grimm einmal der Probe aufs Exempel auszusetzen. Das blendende Finale also des "Und wenn sie nicht gestorben sind" ganz einfach fortzuschreiben, den letzten Vorhang gleichsam noch einmal hochzuziehen und einen eher desillusionierenden Blick zu werfen auf den schnöden Alltag von stolzem Königssohn und lieblicher Prinzessin, Schneewittchen und den sieben Zwergen.

Schließlich liegt es nahe anzunehmen, dass der sich, bei Theaterlicht besehen, von unser aller eingefahrenen Beziehungskiste gar nicht so arg unterscheidet. Dass der Prinz am Ende auch nur einen Pantoffelhelden mit Bauch, Aschenputtel eine taube Nuss vorstellt und bei Froschkönigs daheim selbst die Frage nach der Butter die märchenhafte Zweisamkeit an schlechten Tagen nachhaltig in ihren Grundfesten erschüttert. Allzu nahe. Und genau das ist Stärke wie Schwäche des "Rapunzel-Reports", den die beiden Autorinnen Alexandra Maxeiner und Stefani Kunkel auf die Bühne des Stalburg Theaters gezaubert haben. Denn natürlich ist es ein Vergnügen, einmal nicht das eigene Leben sich nach Märchenvorbild auszumalen, sondern gerade umgekehrt das Schloss in der Pfütze des eigenen Wohnblocks, sagen wir in Eckenheim, zu spiegeln.

Aber die kurzen Szenen, Sketche nur im Grunde, in die Regisseurin Maxeiner die verschiedenen Handlungsfäden eingebunden hat, um das Geschehen fortzuspinnen in der banalen Gegenwart, sind zwar immer wieder amüsant - wie es immer so ist, wenn man sich und seine eigenen Hoffnungen, Enttäuschungen und Macken oder die des Partners erkennt, wenn man das Widerspiel von Realität und verliebten Kleinmädchenträumen satirisch hin und her gewendet auf der Bühne wiederfindet. Wirklich überraschend freilich ist es nicht. Denn dass wir uns die Liebe als ein Märchen wünschen, während sie in Wahrheit womöglich "nur ein alter gemütlicher Bademantel" ist, dafür braucht es im Grunde das Theater nicht.

Dass es dennoch ein unterhaltsamer, ja durchaus vergnüglicher Abend wird, ist denn auch weniger dem dramaturgisch geschickt durch Musikeinspielungen strukturierten "Stück" als vornehmlich Stefani Kunkel zu verdanken, die als Aschenputtel mit Putzfimmel ebenso glänzt wie als von ihrem retroromantischen Prinzen genervte Rapunzel, als soeben von ihrem Bernd verlassene Claudia wie in ihrer Paraderolle als Hilde aus Bornheim. Und die Schauspielerin ist es auch, die in den stärksten Momenten immer wieder zeigt, welches Potential in diesen etwas anderen Märchenvariationen steckt.

Immer dann, wenn sie in ihren wechselnden Rollen einen Perspektivwechsel vornimmt, wenn sie das Naheliegende meidet und den Blick verschiebt etwa auf jene, "die nicht ausgewählt wurden", wie Aschenputtels Stiefschwester mit dem blutenden Fuß im Schuh; wenn sie humpelnd und mit der halbleeren Ginflasche in der Hand auf die Bühne torkelt und sich trotzig durch Gloria Gaynors "I will survive" singt und stolpert, gurgelt und lallt und mithin nicht ein Klischee lediglich durch seine eingetrübte Projektion auf der anderen Seite des Spiegels ersetzt, immer dann kann sie ihr komisches Talent voll ausspielen. Und in jenen Momenten erscheint auch der ganze "Rapunzel-Report" nicht nur witzig, sondern wahrhaft komisch. Gleichviel, ein Renner, da muss man kein Prophet sein, wird die neue Stalburg-Produktion sowieso. Aber hier hat dieser Abend nicht nur Charme, sondern auch Biss.