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Die FAZ über "Gatte gegrillt"

Tatort Küche - ein Paradies für potentielle Mörder

<i>Christoph Schütte, Dienstag, 8. Januar 2008</i>

Reihenhaus mit braver Ehefrau und Freundin für gewisse Stunden: "Gatte gegrillt" im Stalburg Theater.

Der Mann hat seinen Oscar Wilde ganz offensichtlich mit Gewinn gelesen. Denn dass an einer guten Ehe meistens mehr als zwei Personen ihren Anteil haben, wusste der Autor, Dandy, Lebemann schon vor weit mehr als hundert Jahren. Und Tom, mit Reihenhaus und braver Gattin sowie der hübschen Laura für gewisse Stunden ein Bild von einem Durchschnittsehemann, hält sich mit Begeisterung daran. Schließlich, was ist dagegen schon zu sagen? Hilde wäscht und putzt und bügelt, wie es sich gehört, kocht, wie eine Frau nur kochen kann, derweil Lauras Qualitäten zwar mit jung und knackig ausreichend beschrieben scheinen. An die Küche aber und leckere Salate oder gar den Haushalt denkt sie dabei keineswegs.

Von Schwerenöter Tom naturgemäß zu schweigen. Bis, weil es das Genre gerade wie im Leben nun einmal partout so will, Laura nörgelnd, drängend, ungeduldig einzufordern sich nicht mehr enthalten kann, was Hilde seit zehn Jahren zur Genüge kennt; indes Tom für die Nöte seiner Frauen nicht die Spur von Einsehen hat und die Gattin endlich Wind bekommt von der Geschichte. Folgen Scheidung, Frust und Mordgelüste, Neuvermählung und alsbald schon neuerlicher Alltagstrott. So weit, so boulevardesk, vor allem aber ganz und gar banal. Doch Debbie Isitts 1991 uraufgeführte Komödie "Gatte gegrillt" ("The woman who cooked her husband"), die jetzt im Frankfurter Stalburg Theater Premiere hatte, ist zwar klassisches englisches Boulevardtheater mit einer nicht unbedingt weltbewegend neuen Variation eines allseits beliebten Themas. Doch was Regisseur Nenad Smigoc aus diesem schwarzhumorigen Stück macht, ist durchaus überraschend, wenn nicht gar das Beste, was daraus werden kann - setzt die Inszenierung auf kühler, mit Plastikplanen als Prospekt daherkommender Bühne doch vor allem auf kluge und punktgenaue Tempiwechsel, verdichtet den Alltag hier wie im Zeitraffer, dehnt dort das lange Warten aus und wechselt im Verlauf der knapp 90 Minuten immer wieder mit schnellen Schnitten Zeithorizont und Perspektive - Brüche also, wohin man schaut, statt komödiantischer Routine.

Smigoc, der selbst den Tom mal als Dorfcasanova mit den immergleichen miesen Ausreden, mal schlicht und gemein gibt, vertraut darüber hinaus vor allem auf seine Schauspieler, die trotz der vorhersehbaren Handlung und allerlei Kalauern Laura, Tom und Hilde doch als Figuren kenntlich machen, die verzweifelt, sehnsüchtig, untröstlich oder gänzlich ungerührt auf die Erfüllung ihrer Träume - oder auch auf bittersüße Rache sinnen. Der Rest ist Situationskomik und ein erfrischender -immer wieder auch die Inszenierung selbstreflektierender - Humor. So ist es halt, das Leben, mag man mit Laura (Angela Waidmann) bald nach der Hochzeit und neuem Kummer mit ihrem entzauberten Märchenprinzen vergnüglich bilanzieren: "Keiner ist schuld, jeder ist gekränkt, und bald sind wir alle tot." Das aber, so wird sich im Verlauf des Abends und beim Menü zu dritt am Ende zeigen, ist doch ein wenig übertrieben.

Doch wenn Hilde (Stefanie Kunkel) darüber räsoniert, wie viele Frauen wohl in dicken Soßen rühren, derweil sie daran denken, ihren Gatten zu vergiften, dann ist die Fährte in das wahre "Paradies für Mörder", an den Tatort Küche also mit seinen schweren Pfannen, scharfen Messern, mit Mikrowelle und all den Töpfen kochenden Wassers, schon einmal gelegt. Denn nicht nur Tom, auch Hilde hat ihren Klassiker offenbar genau gelesen. Und kochen kann sie ohnehin. Hängt doch, wie schon Lord Byron wusste, seit Eva einst den Apfel aß, sehr viel von einem guten Abendessen ab. Die Liebe wie ihr Ende, sie gehen eben schon seit ewig langen Zeiten durch den Magen. Und einer gibt dabei den Löffel ab.