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Die FAZ über "Die Baronin und die Sau"

Nur das Schwein fehlt auf der Bühne – "Die Baronin und die Sau" im Frankfurter Stalburg Theater

Eva-Maria Magel, Samstag, 8. Januar 2011

Man nehme ein Menschenkind, das fern jeder Erziehung aufwuchs, und forme es zu einem Subjekt nach seiner Fasson. Für eine überaus gelangweilte, kulturell ambitionierte Dame der Gesellschaft, die keine solche hat, weil ihr Mann meist "in den Kolonien" weilt, ein interessanter Zeitvertreib, zumal wenn Dienstboten knapp sind. Man hole sich also ein verwildertes Geschöpf aus dem Schweinestall, das mit den Säuen aus einem Trog fraß, nenne es "Emilie" und bringe ihm, neben anderem, bei, das Silberbesteck zu zählen.

Die Baronin hat für ihr Bildungsprojekt allerhand Vorbilder. Die Geschichte von Kaspar Hauser. Oder Professor Higgins, der Eliza Doolittle zu seiner "fair lady" macht. Michael Mackenzie mischt unter sein von ihm auch verfilmtes Theaterstück "Die Baronin und die Sau" noch mehr Bekanntes. Ein wenig satirische Hoffnungslosigkeit wie bei Pozzos Diener Lucky aus "Warten auf Godot" etwa und auch Genets "Zofen", deren obsessive Kammerspielatmosphäre als Hauch über Katja Lehmanns Inszenierung liegt.

Es ist ein ungewohnter Zug für das kleine Stalburg Theater, das in seinem Alt-Frankfurter Apfelweinsaal zwar schon so manches nicht nur ernst zu nehmende, sondern auch ernste Stück produziert hat, neuerdings aber noch deutlicher einen Akzent auf das Theater legt. Jule Richter, die in kühler, zunächst recht hölzerner Eleganz die Baronin spielt, ist dort unter anderem in der zauberhaften, körperbetonten Drei-Mann-Inszenierung von Shakespeares "Viel Lärm um Nichts" zu sehen. Im Lauf der knapp zwei Stunden inklusive Pause legt sie eine komplexe, zutiefst verletzte Frau frei, die ihre Loyalität vom Gatten ab- und der "Sau" zuwendet - einem jungen Mädchen, das der Baron auch noch missbraucht. Insofern ist das einzige Tier der abwesende Dritte, den die beiden Frauen zu guter Letzt angemessen - und überraschend - entlohnen.

Fast choreographische Abläufe prägen Lehmanns Inszenierung dieser recht sperrigen Groteske. Besonders dann, wenn Uta Köbernick, die auch in ihrem Programm "Sonnenscheinwelt" dem Absurden mimisch begegnet, ihrer "Sau" Emilie Körper und Seele verleiht. Ein Mensch als Tier, kriechend, grunzend, liebesbedürftig und mit zarter Stimme "Mignons Lied" in der Schumann-Vertonung singend: Das ist hart am Unheimlichen, bis Köbernick immer noch rechtzeitig die Kurve zur Komik kratzt.

Überhaupt hat das junge Team Lehmann, Köbernick und Richter, das einen Arbeitsauftrag hatte, noch bevor das passende Stück gefunden war, ein gutes und einvernehmliches Gespür dafür, wie prekäre Balancen zwischen Tragik und Komik, Abgründen und Aufschwüngen zu nehmen seien. Zumal, wenn die beiden Darstellerinnen sich, was einen Moment dauert, warmgespielt haben. Eine elektronische Komposition, die wie durch den Wolf gedreht klingt (Ludwig Berger), legt sich über die Szenen, die auch durch Abblenden strukturiert werden. Das Bühnenbild von Herbert Huber, der schon das Shakespeare-Stück minimalistisch und aussagekräftig gestaltet hat, sorgt buchstäblich für passende Rahmen. Und so kippt auch nichts - selbst wenn es bisweilen fast danach aussieht. Zur Premiere gab es Riesenapplaus.

Nächste Vorstellungen heute sowie am 14., 15., 28. und 29. Januar von jeweils 20 Uhr an. Am Sonntag von 20 Uhr an ist Uta Köbernick mit ihrem Programm "Sonnenscheinwelt" zu sehen.