Die FAZ über BRUMM BRUMM
Last Exit Landratsamt - Die Premiere von BRUMM BRUMM im Stalburg Theater
<i>Christoph Schütte, Donnerstag, 4. September 2008</i>Irgendwann wird es Martin Müller doch zu bunt. Dabei hat sein Tag bei Licht besehen doch eigentlich gemütlich angefangen. Mit Walzerklängen und Pralinen, Bleistiftspitzen, wie es sich gehört, und am Telefon wie jeden Morgen Frau Mama. Und selbstverständlich ein paar kalauernden Reimen seiner Helden, die Martin Müller, wann nur immer die Gelegenheit sich bietet, mit und ohne Publikum zum Besten gibt. Und jetzt das. Ihm. Um diese Uhrzeit und noch vor dem Frühstück in seinem gemütlichen Behördensessel. "Kommt daher aus dem Osten, kennt keinen Robert Gernhardt und keinen Heinz Erhardt, will seinen Führerschein wiederhaben und macht sich über Offenbach lustig." Und alles nur, weil "Funz" Fuschek Krach mit seiner Mandy und wegen Trunkenheit am Steuer gerade keine Fahrerlaubnis hat.
Dem Manne aber, schließlich sind wir im Theater, kann beim anstehenden Idiotentest sogleich geholfen werden. Und schon nimmt die Komödie ihren Lauf, und bald lässt sich nicht mehr entscheiden, wer hier Trottel, wer Filou und arme Wurst und wer der eigentliche Säufer ist. Puh, mag man da am Anfang denken, selten so gelacht. Doch was zunächst beginnt wie ein grottenschlechter Witz in "Brumm Brumm", dem neuen Stück von Michael Herl, das jetzt im Frankfurter Stalburg Theater Premiere hatte, mag man zwar durchaus ein Lustspiel nennen. Herl wäre nicht Herl und die Stalburg nicht die Bühne, die sie nun einmal ist, liefe die Geschichte unter der Regie von Jo van Nelsen nicht langsam, aber unaufhaltsam aus dem heftig hin und her kalauernden Ruder.
Und also taucht alsbald schon Dr. Kögel auf, der, bekannt aus Herls Satire "Wer kocht, schießt nicht", derweil den Gasthof seiner Eltern übernommen und, im Grunde unverschuldet, gleichfalls seinen Führerschein verloren hat: Schließlich muss man einen Coq au vin und den Rehrücken in sämiger Burgundersoße zum Wohl der Gäste ja gelegentlich probieren. Das ist, zugegeben, eigentlich immer noch vor allem ein grotesker Witz. Doch am Ende leistet Herls Komödie mehr. Denn tatsächlich unterstreicht "Brumm Brumm" bei genauerer Betrachtung nur die behutsam eingeleitete Entwicklung von Herls mittlerweile zehn Jahre alter Bühne weg von der Konzentration auf die Kleinkunst hin zu etwas, was man das Neue Frankfurter Volkstheater nennen möchte.
Eine Bühne also, wo sich die Hesselbachs und die Eleven der Neuen Frankfurter Schule im Idealfall auf Augenhöhe begegnen. Und beider Publikum am Ende, wenn es gutgeht, gemeinsam herzhaft lacht. Denn naturgemäß sind zwar die Charaktere, sind der Proll, der Dieter Bohlen doch tatsächlich für einen deutschen Komponisten hält, sind der
"Dekolletéweggucker" und Streiter für die gute Küche aus dem Sauerland sowie der eifrig Chlodwig Poth und Gernhardt zitierende Prüfer Müller zunächst ebenso klar wie holzschnittartig gezeichnet. Und auch das Niveau der Pointen ist mitunter schwankend. Doch wie Nenad Smigoc als Funz, Ilja Kamphues als Theodor Kögel und Heinz Harth als den "Last Exit Landratsamt" mit Flachmännern pflasternder Beamter ("Keiner verlässt das Lokal!") ganz allmählich und Kümmerling für Kümmerling so etwas wie eine gemeinsame Basis, eine Schnittmenge ihrer scheinbar so gänzlich verschiedenen Welten finden, das ist nicht nur unterhaltsam, immer wieder komisch und bisweilen durchaus abgedreht. Das ist vor allem typisch Herl. Und "Brumm Brumm" folglich ein Lustspiel, das sich seinem Anspruch am Ende doch gewachsen zeigt. In einer Komödie jedenfalls haben wir schon länger nicht mehr so gelacht. Christoph Schütte
Die nächsten Vorstellungen vom 10. bis 12., am 19. und 20. sowie am 26. und 27. September. Mit einer Großen Jubiläumsfeier am 6. und einem Tag der offenen Tür am 7. September feiert das Theater seinen 10. Geburtstag.