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Die Frankfurter Rundschau über die TRAUMNOVELLE

Bekenntnisse auf dem Karussellpferd

Stefan Michalzik, Montag, 28. März 2011

Michael Herls Stalburg Theater zeigt im Frankfurter Pik Dame eine szenische Anverwandlung von Arthur Schnitzlers Traumnovelle. Das rotschummrige, weitgehend auf die Zeit der Gründung zurückgehende Ambiente des 1963 gegründeten, im Frankfurter Bahnhofsviertel gelegenen Kabarettklubs verströmt eine charmante Antiquiertheit. Es darf geraucht werden – das sollte eigentlich dem Theater neben dem Hinweis ,,Ab 18 Jahren“ einen Satz auf dem Spielplan wert sein; die Eintritts- und die Getränkepreise sind moderat gehoben. Für ernstlich verrucht im Sinne einer moralisch,,verbotenen“ Zone kann hier längst nichts mehr gelten.

Passende Kulisse

Das passt aber alles recht gut. Anders als die Drogenabhängigen, denen man gerade noch auf der Straße begegnet ist, ist dieser Klub, samt dem stilbewussten Original, das vermutlich hier schon seit Jahrzehnten als Türsteher arbeitet, längst nur noch Kulisse. Neben dem Striptease ist im Pik Dame seit einigen Jahren auch die Kleinkunst regelmäßig vertreten.

Für ein unter aufgeklärten Menschen nicht minder abgesichertes Terrain gilt heute auch die Kenntnis von unser aller verborgenen Obsessionen – dank Sigmund Freuds im Erscheinungsjahr der ,,Traumnovelle“ (1926) noch recht neuen Methodik der Psychoanalyse.

Strip an der Vertikalstange

Mit dem Hervorbrechen ihnen nicht bewusster Besessenheit sehen sich Fridolin und Albertine konfrontiert. Ein Doktorenehepaar mit Kind, typische Mittelständler in gesetzten Lebensverhältnissen also, gespielt von dem regieführenden Schauspieler Nenad Šmigoc und der Österreicherin Patricia Aulitzky.

Aus einem neckischen Geplänkel heraus schlittern die beiden Protagonisten, sie auf einem der Karusellpferde vor der Theke sitzend, in wechselseitige Offenbarungen ihrer erotischen Fantasien. Traum und Wirklichkeit sind eng miteinander verwoben. Verletzungen bleiben unter dieser Seelenerkundung natürlich nicht aus, doch die Liebe und das Bekenntnis zueinander sind stark genug für ein glückliches Ende.

Davor war Fridolin einer ihn im Wiener Idiom ansprechenden Straßenhure begegnet, in die Albertine/Aulitzky sich kurzzeitig verwandelt hatte, und eine im Pik Dame heimische Tänzerin hat an der für derlei obligaten Vertikalstange einen Strip hingelegt.

Anders als Stanley Kubrick, der in seiner Filmfassung unter dem Titel ,,Eyes Wide Shut“ mit Tom Cruise und seiner damaligen Ehefrau Nicole Kidman 1999 die Handlung voll und ganz ins New York der Gegenwart verlegt hatte, lässt diese Inszenierung sprachliche Brüche zu.

Das Stück flutscht in einer raschen Abfolge von schlaglichtartigen Szenen binnen wenig mehr als einer Stunde samt Pause durch – und man hat einen manierlichen, ob einer gewissen Süffigkeit leidlich anregenden Theaterabend erlebt.

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