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Die Frankfurter Rundschau über die Premiere von "Der letzte Husten"

Volker hört die Signale

Thomas Stillbauer, 20. Februar 2012

Dem in Schauspielhäusern stets hochaktuellen Thema Rachenkatarrh widmet sich die neue Produktion der Frankfurter Stalburg: "Der letzte Husten" von Alexandra Maxeiner. Anders als üblich ist diesmal nicht das Publikum betroffen, sondern die Darsteller. Am Husten wird dennoch niemand sterben, allerdings nur deshalb nicht, weil die Beteiligten keine Einigung darüber erzielen können, wen die Schwindsucht dahinraffen darf. Die Premiere der Inszenierung von Ellen Schulz am Wochenende war das reine Vergnügen.

Die Sache ist die: Gregor, ein Theaterregisseur, der schon etwas länger auf seinen internationalen Durchbruch wartet (wunderbar enthusiastisch: Nenad Smigoc), hat sich als Wettbewerbsbeitrag fürs Opernfestival in Oberschlichtenberg was einfallen lassen: Puccinis "La Bohème", und zwar in einer enorm komprimierten Version. Zwei Personen, keine Musik - "die durchgestrichene Oper".

Damit muss das Ensemble erst mal klar kommen (herrlich hassverliebt: Ilona Christina Schulz als Gudrun, Uwe Gerritz als Klaus). Wie soll man eine durchgestrichene Oper anlegen? Existenzialistisch? Liebe, Husten und die Kritik am Gesundheitssystem? "Klaus, bitte - nicht so psychologisch", weist der Regisseur seine männliche Hauptrolle zurecht: "Ich möchte dich nicht frieren sehen. Nur das Substrat."

Wie die drei in den folgenden knapp 100 Minuten plus Pause verzweifelt auf der Jagd nach der ultimativen Bohème-Version sind, eine irrwitziger als die andere, das sind gleich mehrere grandiose Stücke Theater im Theaterstück. "Hust, hust! Ich sterbe!" - "Nein!" - "Doch!" - "Mimi! Ach! Tot." Also nicht wirklich tot. Nur so gespielt, als wäre es so gespielt.

Eine Kaffee-Thermoskanne mit Pumpmechanismus (Bühnenbild: Esther Himmighoffen und Friederike Walter) zeigt exemplarisch, wer es drauf hat (die beiden Männer) und wer nicht (Gudrun). "Ihr Husten", kritisiert Klaus: "Also - ich find' ihn nicht abstrakt genug. Das ist mir einfach zu konkret."

Klaus hingegen beherrscht die Kunst des Hustens politisch wie pantomimisch, und er kann auch schlüssig begründen, warum es in dem Lied, zu dem Gudrun rhythmisch husten muss, heißt: "Volker hört die Signale", nicht etwa: Völker. Klaus hat schließlich unter Tabori gearbeitet. Nicht George Tabori. Karl-Heinz Tabori. Aus Homberg (Efze). Er verkündet dies mit dem unerschütterlichen Selbstbewusstsein eines Mannes, der ohne weiteres in der Lage ist, eine Kaffee-Thermoskanne mit Pumpmechanismus zu bedienen.

Die Stummfilm-Version von "La Bohème" spielt das Paar so überwältigend und so von Grund auf Schwarz-Weiß, dass man Spielleiter Gregor nur zustimmen kann: "Damit rechnen die in Oberschlichtenberg nie!" Ob es allerdings der Zuschnitt der dramatischen Liebesgeschichte aus dem 19. Jahrhundert tatsächlich verträgt, wenn die beiden unglücklich Liebenden in Paris als Ernie und Bert bzw. Winnetou und Old Shatterhand angelegt sind - darüber soll sich das Publikum selbst ein Bild machen: zum Beispiel an diesem Mittwoch und dann wieder am 2., 3., 16. und 17. März.

"La Bohème" als Stummfilm? Damit rechnen die in Oberschlichtenberg nie!

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