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Die FR über "Gut gegen Nordwind"

Liebe auf der Datenautobahn

Peter Rutkowski, Montag, 23. Februar 2015

Die E-Mail-Beziehungskiste „Gut gegen Nordwind“ ist jetzt im Frankfurter Stalburg Theater zu sehen: so berückend, glaubwürdig und witzig gespielt, dass die etwas gekünstelte Konstruktion darüber ganz vergessen geht.

Die Musik erzählt eigentlich die ganze Geschichte: Er spielt Gitarre (für sie), sie singt dazu; sie spielt Klavier und singt (bei sich, in sich), er lauscht. Ergo: Der Held von Daniel Glattauers „Gut gegen Nordwind“ ist prinzipiell beziehungswillig, die Heldin vielleicht willig, aber ganz sicher nicht fähig. Bei „Nordwind“ ist der Weg – den Leo und Emmi auf der Datenautobahn fast komplett via E-Mails beschreiten – jedoch das Ziel.

Und dieses Ziel ist so klug geschrieben, so zartfühlend von Lutz Keßler in Szene gesetzt und so berückend, glaubwürdig und witzig von Jenny Ellen Riemann und Uwe Gerritz gespielt, dass die etwas gekünstelte Prämisse von „Nordwind“ darüber ganz vergessen geht.

Die Prämisse ist: Emmi verschreibt sich bei einer E-Mail-Adresse, weshalb Leo die Mails bekommt und nicht die nervige Abo-Abteilung eines (natürlich) sauschlechten Stadtmagazins. Aus der ersten Hin-und-her-Nerverei keimt elektronenschnell die Sympathie zwischen zwei einsamen Menschen auf, die glauben, im Geschreibe des jeweils Anderen den Traumpartner gefunden zu haben. Das wichtige Wort im vorherigen Satz ist „Traum“.

Leo, Akademiker in Sachen Internet-Kultur, weiß um die Fragilität jedweder datengestützter Beziehung. Emmi weiß das nicht, denn sie ist eine moderne emanzipierte Frau. Letzteres bedeutet heute: fast eine „digital native“ und voller sehr souverän vorgebrachter Hirngespinste über das Geschlechterverhältnis. Was ihre Gefühlslage aber kein bisschen relativiert – es zeigt nur umso klarer, dass Frauen in ihren Fallen namens „perfekte Beziehung“ und „glückliche Ehe“ ebenso gefangen sind wie Männer in ihrer grundlegenden Verunsicherung.

In „Nordwind“ hat Leo einen entscheidenden Vorteil: Er ist älter als Emmi und also erfahrener, wissender um seelische Beziehungsverwundungen (das Wissen führt nicht zwingend immer zu Ein- und Umkehr). Die unfassbar liebenswerte Emmi lernt das durch „Nordwind“, was Leo ihr voraushat. Leo und Emmi nach „Nordwind“ sind Menschen, die man in der Zukunft unbedingt kennenlernen will – real, nicht per E-Mail. Aber es ist nicht sicher, dass es eine Zukunft gibt.

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