Logo Stalburg Theater

Die FAZ über "Das Mädchen Rosemarie"

Die Puppe lässt die Puppen tanzen – Frankfurter Mysterium: "Das Mädchen Rosemarie" im Stalburg Theater

Jürgen Richter, Mittwoch, 23. September 2009

Immer wieder erinnert der Ansager an Ort und Zeit des Geschehens: Deutschland, 1958. Ein paar Stellwände auf der kleinen Bühne deuten in hochkant gestellter Rechteckform die aufkommende Hochhausarchitektur an. Schiefe Kanten retten einen Hauch von Caligari, kleinteilige und grelle Tapetenmuster sind dem Geschmack der Nierentischära geschuldet. Da wirken die handelnden Personen fast seriös in ihrer schwarzen Grundausstattung. Sie sind die Trabanten um einen blondgelockten Fixstern, ihre Puppe, die es schnell versteht, selbst die Puppen tanzen zu lassen.

Mit "Das Mädchen Rosemarie" bringt Manfred Roth einen Mythos der Wirtschaftswunderzeit auf die Bühne des Frankfurter Stalburg Theaters - den Tod Rosemarie Nitribitts, das bis heute unaufgeklärte Initialereignis für Frankfurts Ruf als Sündenbabel. Dabei lehnt sich die Truppe um Alison Rippier in der Titelrolle eng an den seinerzeit von Rolf Thiele gedrehten Film an, dem es weniger um den Tabubruch als um die Andeutung mafiöser Verbindungen zu Wirtschaft und Politik ging. So wird das Frankfurter Mysterium Nitribitt vom Stalburg Theater nicht im Milieu wiederaufgenommen, sondern mit Hilfe des kabarettistischen Schmisses der fünfziger Jahre wiederbelebt.

Eingängige Reime wie "Wir ham' den Kanal noch lange nicht voll, wir singen in Dur und nicht mehr in Moll" deuten auf die verdrängte und nicht bewältigte Vergangenheit, mit ihrem Marschrhythmus beschwören Gassenhauer von damals einen immer noch virulenten Militarismus. Heute wirft das keinen kritischen Schimmer auf neue Feindbilder, ob sie Banker oder Manager heißen. Aber es gibt Thomas Hartmann, Steffen Schwarz und Harald Uhrig ausgiebig Gelegenheit, sich in wechselnden Rollen auszuleben, vom blasierten Hotelportier über den protzigen Wirtschaftsboss bis hin zum geschmeidigen französischen Industriespion. Und selbst die Großen und Mächtigen verlieren schnell die Kontrolle, auch wenn sie mit dem Terminkalender in das Lotterbett steigen. Deshalb steht am Ende alles wieder auf null - Rosemarie ist tot, das neue Mädchen hat ihren Platz eingenommen, und der Versuch des Hotelportiers, sie zu verscheuchen, ist so vergeblich wie bei der Vorgängerin.